Sündenvergebung praktisch – Lektion 24

Peter Weidemann © Pfarrbriefservice.de

Die Kraft liegt im Wort, nicht in der Person – Pfarrer sind von Gott berufen und eingesetzt – Kirchenzucht ist eine Sache der Liebe

aus:
Was Christen glauben – Grundkurs des christlichen Glaubens

Herausgegeben von der Evangelisch – Lutherischen Freikirche (ELFK)

Der Upload auf diese Internetseite erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers: Concordia – Verlag Zwickau / Concordia-BUCHhandlung GmbH & Co. KG, Verlagsbuchhandlung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, Bahnhofstraße 8, 08056 Zwickau, Deutschland.

Lektion 24 – Sündenvergebung praktisch

1. Wer darf Sünden vergeben?

Nun wollen wir uns noch einigen Einzelfragen im Zusammenhang mit dem Schlüsselamt zuwenden. Wir haben in der vorhergehenden Lektion gesehen, dass Gott seiner Kirche die Vollmacht verliehen hat, das Evangelium zu predigen und die Sakramente zu verwalten. Da stellt sich eine Frage:

Wenn jeder Christ das Evangelium verkünden und auch taufen kann, warum tun das dann in der Kirche fast immer nur die Pfarrer? Haben sie eine zusätzliche Vollmacht, welche die Ge- meindeglieder nicht haben?

Hier muss zunächst einmal grundsätzlich festgehalten werden: Die evangelische Botschaft ist genauso wirksam wie bei einem Pfarrer, wenn sie von einem einfachen Christen verbreitet wird. Ihre Kraft liegt in der Botschaft und nicht in der Person des Botschafters. So ist auch die Taufe gültig, wenn ein Christ eine Nottaufe mit Wasser im Namen des dreieinigen Gottes vollzieht.

2. Das öffentliche Predigtamt

Gott will, dass es unter Christen ,,ehrlich und ordentlich” zugeht (1. Kor. 14, 40). Deshalb sollen christliche Gemeinden geeignete Personen mit der öffentlichen Verkündigung beauftragen. Der Apostel Paulus schreibt an seinen Schüler Timotheus: ,,Was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das befiehl treuen Menschen an, die tüchtig sind, auch andere zu lehren” (2. Tim. 2, 2). Wo es um den Dienst für die ganze Gemeinde geht, müssen wir beachten, dass Frauen nach biblischen Grundsätzen nicht über Männer herrschen sollen. Paulus schreibt: „Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei…” (1. Tim. 2, 12). Deshalb übertragen wir das Pfarramt in unseren Gemeinden nur Männern. Sie werden dazu gewählt und berufen, im Namen des Herrn Jesus das Schlüsselamt in der Gemeinde wahrzunehmen. Das heißt, sie sollen predigen, ermahnen und die Sakramente einsetzungsgemäß verwalten.

Die Berufung ins öffentliche Predigtamt erfolgt durch die Gemeinde, aber eigentlich ist es Gott selbst, der durch die Wahl der Gemeinde den Pfarrer zum Dienst mit Wort und Sakrament beruft. Geeignete Personen bereiten sich heute durch ein Theologiestudium auf diese Aufgabe vor. Sie eignen sich dabei die biblischen Sprachen an und lernen, die Bibel auszulegen und anzuwenden. Aber nicht das Studium macht sie zu Pfarrern, sondern die Berufung durch die Gemeinde.

Die Wahl eines Pfarrers ist eine wichtige Angelegenheit, bei der die Gemeinde Gott um seinen Beistand und seine Leitung bittet. Wenn der Berufene die Wahl annimmt, darf er wissen, dass er damit Gottes Ruf folgt. Diese Erkenntnis soll dem Pfarrer als Trost und Stärkung dienen. In guten oder schlechten Tagen darf er in seinem Dienst für die Gemeinde wissen, dass der Heilige Geist das haben will.

Davon schreibt Paulus an die Ältesten (so nannte man damals die Pfarrer) der Gemeinde in Ephesus: ,,So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat” (Apg. 20, 28). Das wurde vor fast 2000 Jahren aufgeschrieben. Dieselbe Mahnung richtet Gott aber auch heute an alle, die im öffentlichen Predigtamt dienen. Auch sie sind von Gott dem Heiligen Geist in ihr Amt eingesetzt. Christliche Eltern sollten überlegen, ob sie ihre Söhne nicht zum Studium und Pfarramt ermuntern können.

3. Worum geht es bei der ,,Kirchenzucht”?

Mit dem Schlüsselamt hängt zusammen, was man “Kirchenzucht” nennt. Bei „Zucht” denken wir heute meist nur an Strafe. Und wer von “Kirchenzucht” redet, meint damit oft den Ausschluss aus einer Gemeinde. Aber eigentlich geht es um etwas Anderes. Der Hauptzweck der Kirchenzucht ist, dass wir Christen uns untereinander helfen und immer besser lernen, auf die schlimmen Folgen von Unbußfertigkeit zu achten. Dabei sollen wir uns stets der eigenen Sündhaftigkeit und Schwächen bewusst sein. Festgehaltene Unbußfertigkeit führt zum Verlust des Glaubens, wenn man darin beharrt. Das kann in der ewigen Verdammnis enden. Wenn wir dies bedenken, dann ist Kirchenzucht im Grunde eine Sache der Liebe und nicht der Strafe. Man sollte deshalb besser von „evangelischer Gemeindeerziehung” sprechen.

Jesus selbst hat uns gesagt, wie wir mit einem unbußfertigen Christen umgehen sollen: ,,Sündigt aber dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde. Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide oder Zöllner” (Matth. 18, 15-17).

Lesen wir diese Stelle sorgfältig, dann merken wir, dass es dabei um drei Stufen geht. Wir müssen aber darauf achten, dass wir nicht voreilig oder auf gesetzliche Weise vorgehen. Die Kirchenzucht soll immer in der Furcht Gottes und in aufrichtiger Liebe zu dem geübt werden, der Anstoß gegeben hat. Wir dürfen nicht aus Rachsucht schon im Voraus den Stab über ihn brechen. Unser Ziel muss vielmehr sein, ihn für die Seligkeit zu gewinnen.

Ein Beispiel:

(Stufe 1:)
Nehmen wir an, in Ihrer Firma arbeitet Hans Bauer, der auch Mitglied Ihrer Kirchen-gemeinde ist. Sie haben erfahren, dass er in der Firma Material stiehlt und mit nach Hause nimmt. Zunächst wollen Sie sich aus der Sache heraushalten und schweigen. Aber dann wird Ihnen bewusst, dass Herrn Bauers Glaube dadurch gefährdet ist. Damit er aber nicht ins Gerede kommt, erzählen Sie vorläufig niemand etwas davon, sondern gehen privat zu ihm und machen ihn auf die Sündhaftigkeit seines Handeln aufmerksam. Hört er auf Sie, dann haben Sie ihren Bruder gewonnen.

(Stufe 2:)
Sollten Sie aber schon verschiedene Versuche gemacht haben, und er beharrt in seiner Unbußfertigkeit, dann sollten Sie es mit der zweite Stufe versuchen. Nehmen Sie einen oder auch zwei erfahrene, in der Gemeinde geachtete Männer mit (gewöhnlich sind das der Pfarrer oder ein Vorsteher) und versuchen Sie gemeinsam noch einmal, Hans Bauer von seiner Sünde zu überzeugen. Da merkt er vielleicht den ganzen Ernst der Sache und was auf dem Spiel steht. Es kann vorkommen, dass die beiden Besucher auch mehrmals mit dem Betroffenen reden müssen. Wenn er sich dann bußfertig zeigt (und die Sache auch mit dem Arbeitgeber bereinigt wird), dann haben Sie ihm geholfen, in seinem Christenleben ein Stückchen weiterzukommen. Und Sie schweigen über die bisherigen Verhandlungen.

(Stufe 3:)
Wenn Hans Bauer aber auch da noch nicht zur Umkehr bereit ist, dann muss der Fall der ganzen Gemeinde vorgelegt werden. Vorher aber geht der Pastor oder ein Vorsteher noch einmal zu Herrn Bauer und macht ihn eindringlich darauf aufmerksam, dass hier wirklich sein Seelenheil gefährdet ist. Diesmal gehen sie als Vertreter der Gemeinde zu ihm. Vielleicht sagt er aber jetzt: „Was ich mache, geht die Gemeinde nichts an. Ich kann tun, was ich will. Außerdem ist es allgemein üblich, in der Firma etwas “mitgehen” zu lassen.” Damit zeigt er, dass er Gottes Gebote bewusst missachtet. Wer so etwas auf Dauer tut, kann kein Christ mehr sein. Dann hat die Gemeinde keine andere Wahl, als ihn auszuschließen. Der Grund dafür ist nicht die Tatsache, dass er gesündigt hat, sondern dass er sich vor den Mahnungen aus Gottes Wort verschließt und nicht zur Umkehr bereit ist. Darin offenbart er sich als Ungläubiger. Wenn seine Gnadenzeit nicht schon vorher abläuft, geht er später vielleicht doch noch in sich und tut Buẞe. Das kommt glücklicherweise immer wieder vor.

Wir müssen hier noch einmal betonen: Der Ausschluss aus einer christlichen Gemeinde ist eine sehr ernste Sache. Wenn keine Einigkeit darüber besteht, kann nicht darüber entschieden werden. Wer Bedenken hat, soll Gelegenheit haben, persönlich mit dem Betroffenen zu reden. Wenn alles Bemühen zu keinem Erfolg führt, bleibt am Ende nichts anderes als der Ausschluss, den die Gemeinde gemeinsam beschließen muss. Wird jemand so aus der Gemeinde ausgeschlossen, dann soll er nicht mehr als “Bruder” angesehen werden. Der Gottesdienstbesuch ist ihm aber deshalb nicht verboten. Wenn er möchte, darf er an den Gottesdiensten teilnehmen, nur das heilige Abendmahl kann ihm nicht gereicht werden. Und wenn er unbußfertig sterben sollte, kann er auch nicht christlich begraben werden, denn er hat sich ja selbst von der Gemeinde getrennt.

4. Was ist bei der Kirchenzucht zu beachten?

Weil der Ausschluss aus der Gemeinde (Exkommunikation) eine wichtige und ernste Sache ist, wollen wir noch einmal die Grundsätze zusammenfassen, die dabei zu beachten sind:

1. Das ganze Vorgehen ist veranlasst durch die sorgende Liebe um das Seelenheil des Mitchristen.

2. Die ersten Stufen der Ermahnung sind nicht lediglich Sache des Pastors, sondern jedes Gemeindeglied trägt hier Verantwortung.

3. Der Ausschluss sollte nicht nur vom Pfarrer oder Vorstand beschlossen werden, sondern muss von der ganzen Gemeinde mitgetragen werden (Beschluss der Gemeindeversammlung).

4. Der eigentliche Grund zum Ausschluss ist nie die Sünde selbst, sondern die Weigerung, Buße zu tun. Erst nachdem alle Versuche fruchtlos geblieben sind, den einer bestimmten Sünde Überführten zum Eingeständnis und zu Reue und Buße zu bewegen, wird er ausgeschlossen.

5. Letztlich hat sich der Betroffene wegen seiner Unbußfertigkeit selbst von der Gemeinde ausgeschlossen. Der Gemeindebeschluss ist nur die öffentliche Bestätigung dieser Tatsache.

In den Briefen des Paulus an die Korinther finden wir ein gutes Beispiel dafür, wie in einem solchen Fall vorzugehen ist. Im ersten Brief spricht Paulus seine Enttäuschung darüber aus, dass ein Mann mit Wissen der Gemeinde gegen das sechste Gebot sündigt. Er ist bekümmert, dass die Gemeinde dieses Verhalten duldet, statt darüber traurig zu sein. Er weist die Gemeinde an: Übergebt ,,diesen Menschen dem Satan zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage des Herrn” (1. Kor. 5, 1-5). Man kann daraus schließen, dass die Gemeinde zunächst nicht bereit war, diesem Mann seine Sünde und die ewigen Folgen der Unbußfertigkeit vorzuhalten. Nach der brieflichen Ermahnung durch Paulus jedoch geschah dies offenbar. Und der Mann tat Buße.

Aber dann geschah Folgendes: Einige Glieder der Gemeinde fanden sich nicht dazu bereit, dem Gestrauchelten zu vergeben. So sah sich Paulus veranlasst, in seinem zweiten Brief zu schreiben: „Es ist aber genug, dass derselbe von den meisten gestraft 21 ist, sodass ihr nun ihm desto mehr vergeben und ihn trösten sollt, damit er nicht in allzu große Traurigkeit versinkt. Darum ermahne ich euch, dass ihr ihm Liebe erweist” (2. Kor. 2,6ff.).

Das Ausschließen eines Gliedes aus der Gemeinde ist immer eine traurige Sache. Aber wir sollen andererseits auch bedenken, dass das Beharren in der Sünde noch etwas viel Schlimmeres ist. Unsere Sünde hat den Heiland bitteres Leiden und sogar den Tod gekostet. Trotzdem kann man der Sache. aber auch eine gute Seite abgewinnen. Jakobus schreibt: ,,Liebe Brüder, wenn jemand unter euch abirren würde von der Wahrheit, und jemand bekehrte ihn, der soll wissen: Wer den Sünder bekehrt hat von seinem Irrweg, der wird seine Seele vom Tode erretten und wird bedecken die Menge der Sünden” (Jak. 5,19f.). Und unser Herr Jesus sagt: „So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen” (Lk. 15, 7).

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21 = Das heißt: zurechtgewiesen

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